Archiv "Religionsgeschichtliche Schule"
Das Göttinger Archiv "Religionsgeschichtliche Schule", dessen Forschungsbetrieb bisher aus Mitteln der Thyssen-Stiftung finanziert wurde, widmet sich seit seiner Gründung 1987 der zusammenhängenden Dokumentation und Erforschung einer der bedeutendsten Richtungen der modernen liberalen Theologie. Ziel ist es, jene über der anschließenden Prädominanz der dialektischen Theologie in Vergessenheit geratene Strömung in Erinnerung zu rufen und sämtliche erhaltene Dokumente ihres Wirkens der Forschung zugänglich zu machen. Gerade in den letzten zwei Jahrzehnten ist ein verstärktes Interesse (im englischsprachigen Ausland sogar schon länger) an Fragestellungen und Forschungsergebnissen der "Religionsgeschichtlichen Schule" zu bemerken (siehe die Literaturauswahl zum Thema). Die sogenannte "Religionsgeschichtliche Schule" ist hervorgegangen aus der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft eines Kreises von jungen Theologen, die sich zwischen 1888 und 1893 in Göttingen habilitierten. Zu ihren hervorragendsten Vertretern zählen Wilhelm Bousset, Hermann Gunkel, Ernst Troeltsch, Johannes Weiß, William Wrede u.a. |
Wilhelm Bousset |
Hermann Gunkel |
Ernst Troeltsch |
Johannes Weiß |
William Wrede |
Vorrangige Aufgabe des Archivs war es zunächst, das verstreut vorhandene Material über die Mitglieder der "Religionsgeschichtlichen Schule" aufzuspüren und - soweit möglich - im Original (ansonsten in Kopie) nach Göttingen zu bringen. So konnte vom Archiv ein beachtlicher Bestand an einschlägigen, bisher vielfach unbekannten Dokumenten, die ihm aus diversen Nachlässen, z.T. aus Originalbeständen in Privathand zugeflossen sind, gesammelt und aufgearbeitet werden. Da die einzelnen "Religionsgeschichtler" nicht an einem zentralen Ort wirkten, lagert die relevante Korrespondenz (Briefe, Verlagskorrespondenz, Vorlesungsmanuskripte, Personalakten etc.) verstreut in Bibliotheken und Archiven im In- und Ausland. Daher werden seit einigen Jahren für die Materialsuche verstärkt auch Archive und Bibliotheken anderer Universitätsstädte wie z.B. Basel, Berlin, Bonn, Gießen, Halle, Heidelberg, Jena, Leipzig, Marburg oder Tübingen herangezogen. Auf diese Weise sind inzwischen über 5.800 Dokumente nach Göttingen gelangt. Die Schwierigkeit im Umgang mit diesen Beständen liegt auf der Hand: Um wirklich für die Forschung verwendet werden zu können, ist es notwendig, die Dokumente möglichst nutzbringend zu archivieren und zugänglich zu machen. Um dies zu erreichen, wird seit einigen Jahren eine selbsteingerichtete Datenbank getestet, in die inzwischen 2.500 Dokumente eingegeben worden sind. Diese EDV-Datenbank mit individuell auf die Bedürfnisse des Archivs zugeschnittener Eingabemaske ist dank ihres Volltextverzeichnisses in vielfältiger Weise abfragbar und systematisch auswertbar (z.B. nach Personen, Orten, erwähnten Publikationen, Themen- und Sachgebieten). Der auf diese Weise erfaßte Bestand des Göttinger Archivs "Religionsgeschichtliche Schule" wird trotz seiner noch eingeschränkten Zugänglichkeit bereits von Forschern aus dem In- und Ausland genutzt. Das Archiv "Religionsgeschichtliche Schule" hat sich so als zentrale Anlaufstelle zur Erforschung dieses bedeutenden Zweigs innerhalb der liberalen Theologie der Moderne schon nach wenigen Jahren einen Namen in der interessierten Fachwelt machen können. Eine erste zusammenhängende Dokumentation über die biographischen Hintergründe und den akademischen Werdegang der Mitglieder sowie über verschiedene Wirkungsaspekte der "Religionsgeschichtlichen Schule" wurde 1987 im Zusammenhang mit einer größeren Ausstellung in Göttingen vorgelegt: Gerd Lüdemann/Martin Schröder, Die Religionsgeschichtliche Schule in Göttingen. Eine Dokumentation, Göttingen 1987. |